Sonderpreis der NGOs 2021
Acht Wochen lang hatten Dunja, Helena, Lara und Lea vom Friedrich-Wilhelm-Gymnasium Köln an ihrer Analyse von SOS-Kinderdorf e. V. gearbeitet. „Eine NGO zu analysieren ist etwas Besonderes, die Struktur ist anders“, berichtet Helena. Und ihre Teamkameradin Lea ergänzt: „Stimmt – zum Beispiel war für uns der ‚Social Return on Investment‘ innerhalb der Wertschöpfungskette zunächst schwer zu fassen.“ Doch eben das stachelte die Jugendlichen an. Sie tauchten tief in die Details der Organisation ein und führten ergänzend eine Umfrage durch. Ihre Kernfrage lautete: Was genau geschieht mit Spenden? Wofür wird das Geld ausgegeben, und kommt tatsächlich das meiste davon bei Kindern und Jugendlichen an? Unterstützung erhielt das Team von Coach Tanja Hentrich (Telekom) und den Lehrerinnen Daniela Steinkuhle und Andrea Schmidt.
Mit ihrer Analyse überzeugten die Kölner Schülerinnen die Jury des Preisgebers SOS-Kinderdorf Campus. Sie erhielten eine Einladung nach Berlin in die Botschaft für Kinder, um ihre Analyse vorzustellen, die auch Tipps an SOS-Kinderdorf zu einer noch besseren Nutzung ihrer Social-Media-Kanäle enthielt. So wünschen sie sich etwa auf Instagram mehr Einblicke in den SOS-Kinderdorf-Alltag mit Verlosungen (beispielsweise in Form eines Blicks hinter die Kulissen) sowie Influencer als authentische Fürsprecher für Kinder und Jugendliche. Auf der Plattform TikTok sei SOS-Kinderdorf schon gut aufgestellt und sollte überlegen, noch häufiger Infotainment Formate anzubieten.
Dr. Maria Braune, Referentin Schul- und Jugendmarketing, SOS-Kinderdorf e. V., zeigte sich nach der Präsentation sehr beeindruckt, wie tiefgründig und reflektiert die 16- und 17- Jährigen die Inhalte präsentierten und zugleich einen überzeugenden Teameindruck hinterließen.
Teamarbeit trägt durch Coronazeit
Die gemeinsame Arbeit am Projekt habe die Jugendlichen über die Coronazeit getragen, erzählt Lehrerin Daniela Steinkuhle. Videokonferenzen hätten sich längst abgenutzt, sodass die kreative, selbst geplante und organisierte Arbeit eine willkommene Abwechslung war. Die Bedeutung der Initiative business@school für die Schülerinnen könne man nicht hoch genug einschätzen: „Die große Entwicklung der Schülerinnen im business@school-Jahr ist der eigentliche Gewinn. Präsentation, Sprachfähigkeit, Organisation, Selbstbewusstsein und Auftritt, das bringt zunächst im Abitur Souveränität und hilft auf dem späteren Berufsweg.“
Alle 13 Minuten wird ein Kind aus der Familie genommen
Im Anschluss an die Diskussion stellte der Gastgeber seine Organisation vor. Der SOS-Kinderdorf e. V. ist einer der großen Fördervereine im weltweit tätigen Dachverband SOS-Kinderdorf International. Allein in Deutschland gibt es an 230 Standorten zahlreiche lokale Hilfseinrichtungen, deren Ziel es ist, Kindern in Not ein geschütztes Zuhause und jungen Menschen eine Zukunftschance zu geben. Am Standort Berlin vereint SOS-Kinderdorf mit der „Botschaft für Kinder“ drei Säulen unter einem Dach: Ausbildung und Qualifizierung, politische Kommunikation sowie das Inklusionshotel Rossi.
„Wir wussten, dass SOS-Kinderdorf sich um Kinder kümmert. Aber wie vielschichtig das Angebot ist, das haben wir erst während der Analyse gemerkt,“ berichtet Helena. Um Kinder und Jugendliche zu erreichen, geht SOS-Kinderdorf auch neue Wege, z. B. mit seinem Jugendpodcast „ICH & WIR“ mit den Influencern Jolina Ledl und Lukas Linder. „Es hat mich überrascht, wie viele sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche es in Deutschland gibt. Den meisten Menschen ist nicht bekannt, dass alle 13 Minuten ein Kind wegen Vernachlässigung oder Gefährdung aus einer Familie genommen wird“, zeigte Lea sich erschüttert.
Vom Mutmachen und Garten- und Landschaftsbau
Dass SOS-Kinderdorf viel mehr ausmacht als die klassischen Kinderdörfer, konnten die Kölnerinnen anschließend in der grünen Zweigstelle des SOS-Kinderdorf Berlin, in Gatow erleben. Hier unterhält SOS-Kinderdorf seit 20 Jahren auf 4,5 ha einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb. Hier werden zum einen Jugendliche aus benachteiligten Familien im Garten- und Landschaftsbau ausgebildet, zum anderen orientieren und qualifizieren sich 23 Jugendliche beruflich, die sich im aktuellen Schulsystem nicht zurechtfinden. Dabei kommen unterschiedliche Förderungen von SOS-Kinderdorf, Stadt und Land zum Tragen und ergänzen einander.
Bei privaten Auftraggebern gehe es eher um Grünflächenpflege und Baumschnitt, berichtet Jeremia, der seit zehn Monaten dabei ist und gerade von einem Einsatz zurückkommt. Auch wenn es bei knapp 30 Grad eine schweißtreibende Arbeit war, für den Bezirk eine Bewässerungsanlage mit Rollrasen zu verlegen und einen Weg zu pflastern – für ihn bedeutet es einen Schritt voran in eine selbstbestimmte Zukunft.
Doch damit nicht genug: Alljährlich kommen die siebten und achten Klassen einer Schule aus Berlin-Mitte zu den Landbauwochen mit Erlebnispädagogik und übernachten in umgebauten Zirkuswagen auf dem Gelände. Zudem können seit 2015 Familien im interkulturellen Garten eine Parzelle bewirtschaften, einander kennenlernen, austauschen, ihre Sprachkompetenz ausbauen und Freunde finden.
Für die Zukunft hat Matthias Fischer-Kallenberg, Koordinator Bereich Garten- und Landschaftsbau, Ausbildung und Qualifizierung, ein klares Ziel vor Augen: Auf dem Gelände soll ein viertes Gebäude entstehen, das einen Hofladen mit Café beherbergt. Hier soll sich der Kreis schließen. Bisher geht das von den Jugendlichen im Gewächshaus und in Beeten gezogene Obst und Gemüse ausschließlich an die Küchen der organisationseigenen Kindertagesstätten und des Hotels Rossi. Bald wird es auch im Hofladen zu kaufen sein.